Verwurzelung
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel /
und sehen nur rätselhafte Umrisse…“
So steht es im ersten Brief des Paulus an die Korinther geschrieben. Ich hoffe, dass dieses Objekt für Sie alle mehr sein kann als nur ein Spiegel mit rätselhaften Umrissen.
Hier ist einiges anders als „normal“. Auch die kfd war bei der ersten Vorstellung des Konzeptes einen Moment langirritiert: Unter einer Skulptur stellt man sich vielleicht eher etwas hoch Aufragendes, aus Stein gehauenes vor. Hier sind wir als Betrachterinnen und Betrachter jedoch gefordert etwas zu erkunden, eine neue Perspektive einzunehmen. Wir müssen den Blick nach unten richten, um das Objekt anzuschauen.
Die Kreisform steht für Unendlichkeit, die Erde, das Ganze. Die Form des Spiegels weckt Assoziationen an einen mäandernden Fluss, an Adern oder Blutgefäße, an einen Blitz sowie auch an Wurzeln und von der anderen Seite betrachtet an einen Baum des Lebens.
Das Prinzip der Spiegelung verweist auf eine nicht greifbare Dimension. Wir schauen nach unten, auf eine Art überdimensionalen Baumstumpf – sehen dort in der Spiegelung aber den Himmel – oder je nach Position die Bäume, uns selbst oder unser Gegenüber. Durch den Blick in den Spiegel wird der Blick erst geschärft für das, was um uns herum zu sehen ist.
Nun steht das Objekt aber nicht irgendwo, sondern direkt vor der Kirche, es ist genau auf den Glockenturm hin ausgerichtet. Der Glockenturm bekommt in seiner optischen Verlängerung Wurzeln.
Die Kirche hat in den vielen Jahren am neuen Standort (sichtbare in und unsichtbare) Wurzeln geschlagen. Diese Wurzeln könnte die Gemeinde sein: Die Verästelungen bilden die Vielfalt der Gemeinde ab, sie könnten für die verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen stehen – vielleicht ist die kfd einer dieser Äste. Alle Verästelungenbündeln ihre Kräfte und münden in einem Stamm. Aus diesem Stamm erwächst gewissermaßen die Kirche.
Je nach Perspektive ist dieses Objekt also die Wurzel, die Basis der Kirche – gleichzeitig verweist es auf eine nicht greifbare Dimension, auf den Himmel. Und wer etwas sucht, findet in der Spiegelung sogar das Kreuz des Kirchturmes.
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel /
und sehen nur rätselhafte Umrisse, /
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“